Zwei Worte Hoffnung: Glück auf

Joris war nie unter Tage in einem Kohlebergwerk. Er stammt nicht aus dem Ruhrgebiet oder dem Erzgebirge, weder Vater noch Opa waren Bergmänner. Mit dem Song „Glück auf“ hat er trotzdem eine Haltung über Tage befördert, die Mut macht.

Alles ist dunkel. Nur zwei, drei schmale Lichtkegel brechen sich bahn. Joris sitzt alleinam Klavier. „Keinen Zentimeter Licht…“, beginnt er zu singen. In dieser zurückgenommenen Atmosphäre spielt der 28-Jährge die erste Single seines neuen Albums „Schrei es raus“ live. Es ist eine sanfte wie eingängige Ballade, die er „Glück auf“ getauft hat. Und wenn wie im Sommer in Kiel rund 12.000 Menschen mucksmäuschenstill den Zeilen lauschen, spürt man die leise Kraft dieses Liedes mitten in der Finsternis.

Es ist nicht das erste Mal, dass der berühmte Bergmannsgruß den Weg in Liedzeilen gefunden hat. Sei es das jahrhundertealte Steigerlied, das jedes Kind im Ruhrpott mitsummen kann.

Oder Herbert Grönemeyers Heimathymne „Bochum“, die irgendwie selbst diejenigen fühlen, die nicht direkt aus der besungenen Stadt, sondern sagen wir aus Dortmund oder Herne stammen.

Immer waren es Hommagen an den Bergbau und die Region. Joris indes nutzt die Grußformel als Metapher für ein großes Gefühl.

Sein Freund und Tourfotograf Tim Kramer brachte ihn auf die Idee. Er ist Bochumer, und von ihm hörte der in Stuhr-Brinkum in der Nähe von Bremen geboren Sänger, dass sich die Menschen im Pott, aber auch in Bergbauregionen in der Schweiz oder in Aue noch immer mit Glück auf grüßen. Joris gefällt das. Es hat etwas Ehrfürchtiges, findet er.

Er mag den Gedanken, dass sich die Bergmänner Glück und Mut zusprechen, ehe sie unter Tage einfahren. Dass sie da unten immer füreinander da sind, auch wenn es schwierig, ja lebensbedrohlich wird; und dass es am Ende gemeinsam wieder nach oben, dass es aufwärts geht.

„Dieses ‚Glück auf‘ ist ein schöner Satz, den man aufs Leben übersetzen kann“, sagt Joris. „Als ich am Album arbeitete, habe ich Menschen kennengelernt, die nicht nur mal einen schlechten Tag haben, sondern die eine schwere, eine dunkle Phase erleben und für die man da sein muss.“ Sie fühlten sich wie unter Tage gefangen, sahen keinen Ausweg. Deshalb schreibt er den Song.

„Glück auf“ wird mit ziemlicher Sicherheit ein weiterer Hit werden für Joris. Das Stück ist so etwas wie der Ruhepol seines zweiten, durchaus rockigen Albums. 2015 gelang Joris Ramon Buchholz, wie er mit vollem Namen heißt, mit seinem ersten Werk „Hoffnungslos hoffnungsvoll“ und der Single „Herz über Kopf“ der Durchbruch. Mit allem, was dazugehört. Preise und Auszeichnungen, hohe Chartplatzierungen, drei Touren, fast 300 Konzerte.

Mit seinem neuen Album zeigt er sich nun erneut lebensfroh und melancholisch, emotional und nachdenklich, mit Herz und Kopf. Ihn interessieren die Gegensätze, die Widersprüchlichkeiten des Lebens. „Licht und Schatten, beides gehört dazu“, sagt Joris, der vor einigen Jahren als Student in Mannheim beim Songschreiben vom Englischen ins Deutsche wechselte, weil er nach zwei Todesfällen in der Familie ins Grübeln kam.

Darüber, was wirklich zählt im Leben, wie gut es ihm doch eigentlich geht und dass man das zu schätzen wissen sollte. „Wenn’s am Schönsten ist, dann mach die Augen auf“, schoss es ihm in den Kopf. Auf Deutsch. Es wurde zu einer Liedzeile.

Joris sind nicht nur Worte, ihm ist auch Haltung wichtig. Er besuchte erst neulich das #Wirsindmehr-Konzert in Chemnitz gegen rechte Hetze und setzt sich öffentlich für Weltoffenheit und Toleranz ein. „Ich glaube immer noch an das Bunte“, sagt er. Auch hier erkennt er die Parallelen zum Bergbau, zum Geist des Glückaufs. „Die Tugenden sind übertragbar“, erklärt der Liedermacher. „Unter Tage haben spätestens nach zehn Minuten alle die gleiche Hautfarbe.“ Das Gemeinsame unabhängig vom jeweiligen biografischen Background, davon könne man sich – gerade heute – über Tage eine Scheibe abschneiden.

Es bleibt zu hoffen, dass Joris Recht behalten wird. Und Hoffnung ist letztlich auch das große Thema von „Glück auf“. Es geht auf-, geht aufwärts, heißt es im Refrain. Joris bringt es auf den Punkt: „Egal, wie scheiße die Welt da draußen gerade aussieht, am Ende des Tages ist es wichtig, dass man die Hoffnung immer in sich trägt.“

2018, im Jahr der Zechenschließungen, zeigt Joris‘ „Glück auf“ auch ein Stück weit, wie sich Traditionen im Hier und Jetzt bewahren, wie sich Werte erhalten lassen. Auch das macht Hoffnung. Während der Bergbau als Industrie langsam vergeht, ist der Gruß der Steiger und Hauer etwas, das bleiben wird. Ein schöner Satz. Ein altes Zitat. Eine Formel, die letztlich so viel mehr ist als bloß zwei kleine Worte.

Fotos: Tim Kramer

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