Ob am Spielfeldrand beim Fußballzweitligisten VfL Bochum. Ob auf Tour mit Revolverheld, Joris oder Johannes Oerding – Tim Kramer lebt zwei große Träume gleichzeitig. Zu verdanken hat er das seiner Kamera. „Das ist die Daseinsberechtigung“, sagt der Bochumer Fotograf und lächelt. Dabei war sein Weg neben die Plätze und hinter die Bühnen alles andere als vorgezeichnet.
Wie so oft im Leben sind es die Kombinationen aus Zufällen und Hartnäckigkeit, die einen ans Ziel bringen. Als gelernter Bürokaufmann verbringt Tim Kramer seine Zeit am Schreibtisch. Doch er spürt irgendwann: „Das Büro und ich – wir werden keine Freunde mehr.“ Nebenbei ist er allerdings ständig mit der Kamera unterwegs, seiner eigentlichen Leidenschaft.
Und er ist schon immer Fußballenthusiast. Zwar reichte es nicht für auf dem Platz, aber er verehrt diesen Sport und seine Kultur. Mit Gleichgesinnten betreibt er ein Forum für Fußballgrafiken, lange bevor dies zum Social-Media- Trend wird. Als Bochumer ist er natürlich VfL-Fan; er selbst spricht in diesem Zusammenhang eher von Liebe. Kramer merkt: Er will Teil dieser Welt sein, Teil des Fußballs. Diese Idee bleibt immer im Hinterkopf, und irgendwann lernt er den Stadionsprecher des Wuppertaler SV kennen, der wiederum wen kennt und was regelt – und am Ende fotografiert Kramer bei einem Gastspiel seiner Bochumer in Wuppertal. Es ist seine Chance und er nutzt sie. Dem Club gefallen die Bilder, sie starten ein Kalender-Projekt. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt. Der 33-Jährige ist inzwischen der Haus- und Hoffotograf des VfL, bekommt viele andere Foto-Jobs im Fußball.
Dann die Musik. Das ist das zweite Feld, das Tim Kramer schon immer fasziniert hat. „Aber als Junge aus Bochum ohne Berührungspunkte mit der Szene war es echt schwierig, dort reinzukommen“, erinnert er sich. „Ich habe Mails geschrieben wie ein Bekloppter.“ Irgendwann bricht ihm ein sichergeglaubter Termin weg, er ist genervt, schreibt aus der Emotion heraus eine weitere Mail, diesmal an die Hamburger Band Revolverheld, die ihr Abschlusskonzert in Bochum gibt. Tatsächlich klingelt kurze Zeit später sein Telefon, er könne kommen und die Band an dem Abend begleiten.
Die Jungs sind Fußballfans und ihnen gefallen seine Fotos. An dem Abend stellt er sich gut an. Ein paar Tage vergehen, dann klingelt das Telefon erneut. Er soll die Band beim MTV-Unplugged in Hamburg begleiten. Kramer denkt: Besser wird es nicht mehr. Und er täuscht sich. Denn nun öffnet sich die sprichwörtliche Tür – er geht hindurch und wird heute unter anderem von Joris über Michael Patrick Kelly bis Johannes Oerding für Touren, Konzerte und Jobs gebucht. Unter anderem. Diese Mail an Revolverheld, das sagt er heute – rund sieben Jahre später – hat sein Leben „komplett umgekrempelt“. Seinen Bürojob hat er schon lange an den Nagel gehängt. Er arbeitet an der Ruhr-Universität Bochum in der Hochschulkommunikation und eben als Fotograf unter dem Namen „Tremark“ in den Stadien und Hallen und Arenen, exakt so, wie er es sich immer gewünscht hat.
Kramer ist ein freundlicher, ruhiger, reflektierter Mensch. Es wird sicher Leute geben, denen man diese illustre Kundenliste im Gespräch unangenehm anmerken würde. Wenn der Bochumer aber über seine Arbeit spricht, hört man echte Dankbarkeit und aufrichtige Begeisterung: dafür, dass ihn sein Weg dorthin geführt hat, wo er jetzt ist. Und für all die Momente, die er erlebt und festhält. Das ist sein Antrieb – hinter die Kulissen zu schauen, sich sein eigenes im wahrsten Sinne des Wortes Bild zu machen und auch mal woanders hinzuschauen als alle anderen. Das macht seine Fotos aus, das hat viel mit Stimmung, mit Atmosphäre zu tun. Mit kleinen Beobachtungen und scheinbar unbedeutenden Szenen am Rande. Zum Beispiel beim Fußball: „Ich kann oft gar nicht das fotografieren, was andere können. Deshalb versuche ich, das Motiv zu erwischen, das die anderen Fotografen vielleicht nicht haben und auch mal links und rechts zu schauen“, erklärt er. „Ich lege den Fokus gerne auf andere Dinge. Da kommen ja ganz viele Geschichten zusammen in einem Stadion oder bei einem Konzert. Die Frage, warum gehen Menschen dorthin? Das alles finde ich mega spannend.“
Alle Bilder: © Michael Schwettmann